Zur Weiterentwicklung tragen Digitalisierung, alternative Antriebsformen und große Infrastrukturprojekte bei
Die Verantwortung für den Öffentlichen Personennahverkehr im Main-Taunus-Kreis liegt zu einem guten Teil bei Ihnen, Herr Baron, der Sie Verkehrsdezernent des Kreises sind und zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Main-Taunus-Verkehrsgesellschaft, und bei Ihnen, Herr Schmidt, der Sie die Geschäftsführung der MTV innehaben. Es ist sicher unstrittig, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität leistet, ein wichtiger Standortfaktor ist und zur Daseinsvorsorge für Bürgerinnen und Bürger gehört. Bitte geben Sie den Leserinnen und Lesern vor diesem Hintergrund einen Ausblick auf die Weiterentwicklung des ÖPNV.
Wie ist Ihre Einschätzung: Was sind aktuell die wichtigsten Problemstellungen? Wird die Bedeutung des ÖPNV noch zunehmen?
Johannes Baron: Ja, das ist unbedingt so zu sehen. Gerade im Ballungsraum FrankfurtRheinMain gilt: Die Mobilität steigt immer weiter. Die Verkehrsströme müssen intelligent geführt werden, dazu braucht es Masterpläne. Und die Emissionen nehmen zu. Mehr Menschen für den ÖPNV zu gewinnen, das ist wichtig. Es ist ja nicht besonders nachhaltig, wenn jeder mit dem eigenen Auto unterwegs ist. Wir wollen für den Fahrgast eine nahtlose integrierte Mobilität vom Start- zum Zielort, egal wie oft er für seine Reisekette das Fahrzeug oder den Anbieter wechselt. Der ÖPNV muss komfortabel und zeitsparend sein, nur dann ist er attraktiv. Das umfasst auch die Förderung und Integration von Radfahrverkehren, das liegt uns im Main-Taunus-Kreis ebenfalls am Herzen.
Roland Schmidt: Auch wir bei der MTV denken in diesem Sinne über integrierte Mobilität nach und über unseren Tellerrand hinaus. Als Partner in RMV beschäftigen wir uns aktiv mit bei der Erarbeitung strategischer Konzepte. Es gilt eine Lösung zu der Frage zu finden, wie man ein Gesamtsystem der Mobilität so integrieren und koordinieren kann, dass flexible und verkehrsträger-übergreifende Mobilität als ein ganz einfach zu nutzendes Angebot beim Fahrgast ankommt. Das geht nur mit einem komplexen System im Hintergrund, aber für den Fahrgast muss das Ganze intuitiv funktionieren und kinderleicht daherkommen, damit es möglichst wenig Nutzungshemmschwellen gibt.
Welche Konzepte beschäftigen Sie denn aktuell am meisten? Also wo setzt man den Hebel am besten an, um den ÖPNV noch besser ins Spiel zu bringen für die tägliche Mobilität?
Roland Schmidt: Viele Fahrgäste sind mit dem bisherigen Tarifsystem im RMV unzufrieden. Es beruht zwar auf einem in sich schlüssigen Konzept, aber es gibt schmerzhafte Preissprünge und das versteht die Kundin und der Kunde nicht. Die Berechnung anhand von starren Tarifgebieten ist zu unflexibel. Die Tendenz geht dahin, den Preis einer Fahrt genau nach der Länge der Fahrt, dem genutzten Fahrzeug, nach der Uhrzeit und der Häufigkeit der Fahrten zu berechnen. Herauskommen soll ein individueller Tarif, der die alten Preisstufen ersetzt.
Johannes Baron: Voraussetzung ist auch hier, dass man die Vorgänge digitalisiert: Die Fahrten müssen gemessen werden, am besten durch automatische Erfassung, dann können die jeweiligen Preise berechnet werden. Und die elektronische Zahlung muss ebenfalls ohne großen Aufwand für den Fahrgast einfach laufen. Für den Fahrgast muss das Angebot möglichst simpel sein, er braucht eine ganz einfache Nutzeroberfläche. Als Mitglied des Aufsichtsrats des RMV setze ich mich dafür ein, dass das Problemlösungspotential der Digitalisierung hierfür ausgeschöpft wird.
Roland Schmidt: Und dabei geht es letztlich um Datenmanagement. Das ist auch so bei der Fahrgastinformation. Wenn der Fahrgast seine Wege plant und auch wenn er unterwegs ist, braucht er eine zuverlässige Orientierung. Dazu müssen viele Datenströme intelligent aufbereitet werden, zum Beispiel die Fahrplandaten der Busse und Bahnen inklusive der Umläufe, die tatsächlichen aktuellen Abfahrtszeiten/Echtzeitdaten der einzelnen Fahrzeuge, Streckendaten bei Umleitungen, idealerweise noch Sitzplatzverfügbarkeit und so weiter. Bei der integrierten Mobilität umfasst das dann auch Daten zu Angeboten von anderen Anbietern. Und all das muss verständlich an den Fahrgast kommuniziert werden.
Welche Aufgaben sehen Sie dabei bei der Politik? Der Gesetzgeber stellt ja auch Mittel bereit. Wo sind Regulierungen, wo sind Förderungen besonders wichtig?
Johannes Baron: Wir müssen immer wieder klarstellen, dass wir erst mehr Fahrgäste gewinnen, wenn wir in den Ausbau der Infrastruktur investieren. Wir haben knapp 70.000 Einpendler werktäglich in den MTK und über 60.000 Auspendler. Davon fährt nur ein Teil mit dem ÖPNV. Aber die Busse und Bahnen sind dort, wo die Verbindungen attraktiv sind, an den Kapazitätsgrenzen. Das merken die Fahrgäste jeden Tag, wenn sie auf dem Weg zur Arbeit stehen müssen.
Roland Schmidt: Es gibt auch gravierende strukturelle Engpässe, die für die Störanfälligkeit der Schienenverkehre verantwortlich sind, zum Beispiel der S-Bahn-Tunnel in Frankfurt: Kommt eine Bahn verspätet durch den Frankfurter City-Tunnel, hat das Auswirkungen auf zahlreiche Bahnen anderer Linien. Oder bestimmte Endhaltestellen: Kommt die Bahn verspätet dort an, fährt auch die Bahn in Gegenrichtung verspätet ab. Die Schienenwege müssen also dringend ausgebaut werden, damit die Pünktlichkeit stimmt und Kapazitäten gesteigert werden können. Hier braucht es Investitionen und Mittel von Bund und Land.
Johannes Baron: Es tut sich auch etwas. Hervorzuheben sind zwei große Schieneninfrastrukturprojekte. Mit der geplanten Regionaltangente West befasse ich mich als Mitglied des Aufsichtsrats der RTW Planungsgesellschaft eingehend. Sie führt von Bad Homburg bzw. dem Norden der Stadt Frankfurt aus über Kommunen im MTK westlich Frankfurts bis ins Gebiet südlich Frankfurts und verbindet dabei mehrere größere Arbeitsplatzgebiete: das Gewerbegebiet Eschborn-Süd, den Industriepark Höchst, den Frankfurter Flughafen. Von Eschborn Süd nach Höchst fährt man dann in 10 Minuten, ohne Umsteigen. Und die Schienenverbindungen nach Frankfurt werden entlastet. Auch die Wallauer Spange als geplante Schienenverbindung zwischen Wiesbaden zum Flughafen bringt eine Entlastung für die Straßen und Anwohner und schnellere Verbindungen. Geprüft wird dabei auch der wirtschaftliche Nutzen einer Bahnstation auf dieser Spange. Für den MTK wäre eine Bahnstation auf Wallauer bzw. Delkenheimer Gebiet sehr vorteilhaft.
Wo sehen Sie Möglichkeiten bzw. wo liegen die Schwerpunkte Ihres Engagements als Verantwortlicher vor Ort im MTK?
Roland Schmidt: Da ist zum Beispiel die Prüfung des Einsatzes alternativer Antriebe im Buslinienverkehr zu nennen. Langfristig soll der öffentliche Verkehr ja elektrifiziert werden. Und der Bund stellt Fördermittel bereit, um die Entwicklung der Marktreife voranzutreiben. Im MTK werden wir über den Einstieg in die Elektromobilität auf Basis einer Machbarkeitsstudie entscheiden. Je nach dem, auf welche Antriebe wir setzen, kann für die Umsetzung auch über nachbarschaftliche Kooperationen nachgedacht werden. Wir engagieren uns auch stark für die Barrierefreiheit im ÖPNV. Zwar sind der Kreis und die Kommunen Baulastträger für die Bushaltestellen. Sie sind es, die durch das Personenbeförderungsgesetz verpflichtet sind, den Ausbau barrierefreier Bushaltestellen bis Anfang Januar 2022 umzusetzen. Aber dies ist ein enger Zeitrahmen. Und die Investitionen werden erst ab einer bestimmten Höhe öffentlich gefördert. Deshalb hat die hat die MTV ein gemeinsames Vorgehen der Kommunen angeschoben und bringt sich hier seit Jahren stark ein. Unter ihrer Federführung ist der Ausbau schon ein gutes Stück vorangekommen.
Johannes Baron: Ein wichtiges Anliegen ist mir noch die Steigerung des Radverkehrs. Im MTK wird dazu ein kreisweites Radverkehrskonzept erstellt und die entsprechende Infrastruktur. Im MTK haben wir eine polyzentrale Struktur und kurze Distanzen. Dies sind gute Voraussetzungen für mehr nachhaltige, umweltfreundliche Mobilität. Hierfür betrachten wir alle Verkehrsträger und ihre Verknüpfung.